Bielefeld
Aufgrund des demographischen Wandels ist die Betreuung und Pflege älterer und alter Menschen ein Wachstumsmarkt: Die Zahl der auf Unterstützung angewiesenen Menschen wird in den kommenden 20 Jahren kontinuierlich wachsen, während die Gesamtbevölkerungszahl kontinuierlich sinkt, das bedeutet: Die Schere zwischen potenziell Pflegenden und Pflegebedürftigen geht dramatisch weiter auseinander, so dass politische und gesellschaftliche Lösungen für dieses sich bereits ankündigende Problem gefunden werden müssen: „In unserem Beruf fehlen die Männer – sonst wäre die Arbeit bestimmt besser angesehen.“ (zit. nach: „Zukunftsthema Pflege“, S. 33)
Heute, auch das dokumentieren Hermine Oberücks Fotografien, ist nicht nur ein Großteil der auf Pflege und Betreuung angewiesenen Menschen, sondern ist auch die Pflege selbst weiblich – sowohl im professionellen als auch im häuslichen Bereich. Fast drei Viertel aller häuslichen Pflege- und Betreuungsleistungen wird von Frauen erbracht, der Anteil der Frauen in der professionellen ambulanten und stationären Altenpflege liegt durchschnittlich bei über 80%.
Die Betreuung und Pflege älterer und alter Menschen findet häufig im Verborgenen statt. Menschen, die nicht selbst pflegend tätig oder von Unterstützungs- und Pflegebedarf betroffen sind, kennen Pflege- und Betreuungssituation häufig nur vom Hörensagen.
Viele ältere Menschen haben Angst davor, in ihrer letzten Lebensphase körperlich oder geistig eingeschränkt, krank, behindert, auf Hilfe angewiesen und deshalb kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft mehr zu sein. Die Debatte um aktive Sterbehilfe, die in weiten Teilen um den „Lebens-Wert“ eines Menschen kreist, tut ein Übriges. Vor allem Frauen betonen immer wieder, dass sie anderen Menschen im Alter auf keinen Fall zur Last fallen wollen.
Viele jüngere Menschen, die durch Berufstätigkeit und ihr Engagement in Familie oder im sozialen Umfeld bereits bis an die Grenzen belastet sind, haben Angst davor, in Zukunft zusätzlich auch noch als „pflegende Angehörige“ gefordert zu sein. Sie haben keine Vorstellung davon, was sie in dieser Rolle erwartet und wie groß die damit verbundenen Belastungen sein werden.
Wir alle wissen noch immer viel zu wenig über die „Grauzonen“ zwischen privater und professioneller Betreuung und Pflege, in denen Nachbarinnen, Freunde und Freundinnen und „Inhouse“-Pflegerinnen aus Osteuropa für wenig Geld und noch weniger Anerkennung viel Verantwortung übernehmen – auch hier erlauben die Arbeiten Hermine Oberücks einen kleinen Einblick ins Verborgene.
Professionell Pflegende aus ambulanten und stationären Zusammenhängen klagen aus gutem Grund oft über Zeitnot, Überforderung, körperliche und psychische Belastungen, geringes Einkommen, schlechte Arbeitsbedingungen und zu wenig gesellschaftliche Anerkennung für ihre Arbeit. Dabei gerät leicht aus dem Blick, worin genau die Leistung dieser professionell tätigen Frauen besteht und wie die Gesellschaft dazu beitragen kann, dass ambulante und stationäre Pflegekräfte ihre Empathie, ihr Engagement und ihre persönliche Motivation nicht verlieren.